«Von meinem Vater habe ich damals erklärt bekommen, dass ich Käferchen
im Blut habe, die wir mit Medikamenten bekämpfen»

«Judith»

Als Judith in der Dominikanischen Republik auf die Welt kam, gab man ihr eine Lebenserwartung von drei Jahren. Die junge Frau ist inzwischen 29 Jahre alt. Dank medizinischer Fortschritte lebt sie ein praktisch normales Leben. Judith ist seit Geburt HIV-Positiv. Ihre Mutter wusste nichts von der eigenen Infektion und da damals keine Medikamente auf dem Markt waren, verstarb sie leider. HIV ist heute zwar immer noch nicht heilbar, jedoch behandelbar. Judith ist seit vier Jahren n=n (nicht nachweisbar = nicht übertragbar). Dank erfolgreicher Therapie, kann sie niemanden mehr anstecken. Auch nicht beim Sex ohne Kondom. Sie erzählt in dieser Folge unter anderem, wie sie als Kind erfahren hat, dass sie HIV-Positiv ist, warum Gleichgesinnte sehr wichtig sind und wie sie Diskriminierung aufgrund von Unwissenheit erfahren hat. Wir reden auch darüber, wie sich HIV auf ihr Liebesleben auswirkt, warum das Daten mit HIV nicht immer ganz einfach ist und wie ihre Schwangerschaft verlief. Zwei Jahre lang wusste sie nicht, ob sich ihr 6-jähriger Sohn ebenfalls mit HIV angesteckt hat. Das Interview wurde aufgrund der weltweiten Coronavirus-Pandemie per Skype durchgeführt. Doch auch via Bildschirm hat mich Judith mit ihrer sympathischen und starken Art sehr beeindruckt.

«Fakten»

1. Fakt
Laut der Aids-Hilfe Schweiz leben weltweit 37.9 Millionen Menschen mit HIV (Stand 2018), in der Schweiz sind es rund 17’000 Menschen.
2. Fakt
Erfreulicherweise sinkt seit 2002 die Anzahl der HIV-Diagnosen. Im Jahr 2018 wurde zum zweiten Mal seit Beginn der HIV-Epidemie dem Bundesamt für Gesundheit weniger als 500 Fälle gemeldet.
3. Fakt
2018 starben weltweit 770’000 Menschen an Aids, im Jahr 2010 waren es noch 1.2 Millionen gewesen.

«Was du über HIV wissen musst»


Judith bietet einen sehr spannenden Einblick in das Leben einer HIV-positiven Person. Falls ihr euch noch mehr Wissen zum Thema HIV aneignen möchtet, lohnt es sich diese zweite Folge anzuhören. Hier gehe ich unter anderem detaillierter auf die Fragen ein: Was ist HIV überhaupt? Bei welchen Situationen ist das Ansteckungsrisiko am höchsten? Welche Symptome hat man bei einer Ansteckung? Und wann macht ein HIV-Test Sinn? Lasst euch von mir auf eine Wissensreise entführen und frischt dabei euren Sexualkundeunterricht von früher wieder mal auf. Gut aufgeklärt zu sein, ist sehr wichtig!

«Mythen»


Die Bilder und Vorstellungen aus der Anfangszeit der HIV-Epidemie (1980er-Jahre) bestimmen noch heute das öffentliche Image der Krankheit. Wichtiges Wissen über die medizinische Aktualität fehlt. Dies führt zur gesellschaftlichen Stigmatisierung: Etliche Betroffene erleben in ihrem Alltag Ausgrenzung und fühlen sich alleingelassen. Hier seht ihr Mythen, die sich über die Jahre in unseren Köpfen verankert haben. Lasst uns gemeinsam gegen Vorurteile durch Unwissenheit kämpfen!

HIV und Aids ist das Gleiche

Falsch:

HIV und Aids sind nicht das Gleiche. HIV beschreibt den Virus (Humane Immunschwächevirus, welches das menschliche Immunsystem zerstört), Aids ist die ausgebrochene Krankheit. Bleibt eine HIV-Infektion über längere Zeit unentdeckt und unbehandelt, entwickelt sich aus ihr die Krankheit Aids. Die fortgeschrittene Immunschwäche kann dann zu verschiedenen schweren Erkrankungen und zum Tod führen.

HIV ist ein Todesurteil

Falsch, wenn:

… man früh mit der antiretroviralen Therapie beginnt. Eine Ansteckung mit HIV ist zwar nicht heilbar, jedoch behandelbar. Werden die Medikamente täglich konsequent eingenommen, wird die Vermehrung des Virus im Körper verhindert, so dass die Krankheit Aids nicht ausbricht. Somit wird die Lebensqualität und Lebenserwartung von HIV-positiven Menschen markant gesteigert.

Richtig, wenn:

… man keinen Zugang zu Medikamenten hat und keine antiretrovirale Therapie durchführen kann. Leider ist das in einigen Ländern der Fall – in grossen Teilen Afrikas haben nur 29% der Betroffenen Zugang zur Therapie.

HIV wird auch durch Händeschütteln übertragen

Falsch:

Im alltäglichen sozialen Umgang mit einer HIV-positiven Person kann man sich nicht anstecken. Es ist völlig ungefährlich das gleiche Badezimmer zu teilen, sich zu Umarmen, zu Küssen, die Hände zu schütteln oder vom gleichen Glas zu trinken. HIV wird nicht durch die Luft, durch Speichel, Tränen, Schweiß, Urin, Kot und nicht durch Insektenstiche übertragen. Jedoch kann das Virus durch Kontakt mit Sperma, Flüssigkeit der Vagina und des Anus, Muttermilch und Blut übertragen werden.

HIV-positive Menschen müssen immer mit einem Kondom verhüten

Falsch, wenn:

… HIV-positive Menschen ihre HIV-Therapie nach Plan befolgen und wenn ihre Virenlast im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Sie können also ungeschützten Sex haben, ohne zu befürchten, dass sie ihren Partner oder ihre Partnerin anstecken. Ob die Behandlung erfolgreich ist, und ob man deshalb auf das Kondom verzichten kann, muss mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden. Jedoch ist ein Kondom trotzdem noch wichtig, weil wie bei HIV-Negativen Menschen sexuelle Geschlechtskrankheiten wie Tripper, Chlamydien, Syphilis und Co. beim ungeschützen Sex übertragen werden können.

Richtig, wenn:

… die antiretrovirale Therapie nicht wirksam ist und die Medikamente nicht regelmässig eingenommen werden.

HIV-positive Frauen können keine Kinder zur Welt bringen

Falsch:

HIV-Positive Frauen können heute nicht-infizierte Kinder bekommen, wenn rechtzeitig mit der antiretroviralen Therapie begonnen wird. Sind im Blut dauerhaft keine Viren mehr nachweisbar, lassen sich sowohl die Zeugung als auch die Geburt auf natürlichem Wege durchführen. Neuerdings können HIV-positive Mütter unter wirksamer Therapie ihr Kind auch stillen.

Man sieht einer Person die HIV-Erkrankung an

Falsch:

Man sieht einer Person nicht an, ob sie sich mit HIV infiziert hat oder nicht! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Für einen HIV-Test gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann sich an speziellen HIV-Teststellen, bei Ärzten oder in Spitälern testen lassen. Der Test lässt sich meist oft anonym machen. Ob man sich mit HIV angesteckt hat, kann mit einem Bluttest festgestellt werden.

Nur Homosexuelle können sich mit HIV anstecken

Falsch:

Auch Heterosexuelle oder Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen können sich mit HIV anstecken. Das Ansteckungsrisiko ist je nach Situation unterschiedlich: Grundsätzlich kann man sich beim ungeschützten Vaginal- und Analsex mit HIV anstecken. Ungeschützter Analsex birgt das grösste Risiko, sich mit HIV anzustecken – auch ohne Samenerguss. Dies weil die Analschleimhaut dünn ist und beim Analsex praktisch immer verletzt wird. Beim Vaginalsex hat die Frau ein erhöhtes Risiko, wenn sie Sperma in die Vagina aufnimmt. Doch auch ein kurzes Eindringen ohne Präservativ kann zu einer Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten wie Tripper, Chlamydien, Syphilis und Co. oder zu HIV führen. Beim Oralsex (also beim Lutschen oder Lecken des Penis, der Scheide oder des Afters) ist das Risiko einer HIV-Ansteckung äusserst klein (ausser bei Menstruationsblutung).

«Wichtig»


Wie kann man sich vor einer HIV-Infektion schützen?

Den besten Schutz vor einer Ansteckung bietet Safer Sex (Vaginal- und Analsex mit Kondom). Wichtig dabei ist, dass ihr ein Kondom guter Qualität (am besten mit einem Gütesiegel) und von passender Grösse verwendet. Neuerdings kann man sich auch durch die Einnahme von Medikamenten vor dem Geschlechtsverkehr vor HIV schützen. Mit der Prä-Expositions-Prophylaxe, abgekürzt PrEP können sich HIV-negative Menschen, die einem erhöhten HIV-Risiko ausgesetzt sind, sich vor HIV schützen. Das Medikament ist jedoch verschreibungspflichtig und schützt nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie zum Beispiel Tripper, Chlamydien, Syphilis oder Hepatitis.

Wo kann man sich testen?

Man kann sich an speziellen HIV-Teststellen, bei Ärzten oder in Spitälern testen lassen. Der Test lässt sich meist oft anonym machen. Ein anonymer Test kostet ungefähr 50 Franken. Wenn der Test beim Hausarzt gemacht wird, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Ob man sich mit HIV angesteckt hat, kann mit einem Bluttest festgestellt werden.

Weitere Informationen

www.lovelife.ch
www.aids.ch
www.sexuelle-gesundheit.ch